Fahrt an den Rhein 2006

Auf den Spuren Goethes und Heines in Düsseldorf und im Rheingau

Das Heine-Jahr bot der Goethe-Gesellschaft wilkommenen Anlass zu einer Exkursion an die Geburtsstätte des Dichters, Düsseldorf, und - den Spuren Goethes folgend - nach Oestrich-Winkel im Rheingau.
In einer auf zwei Häuser verteilten Schau liefert das Heine-Institut eine Sicht auf den Dichter des "Buches der Lieder" und von "Deutschland. Ein Wintermärchen", die das Bild einer widerspruchsvollen, in sich gespaltenen Persönlichkeit vermittelt: des Romantikers Heine, der den gefühlvollen Ton vieler Gedichte ironisch bricht, des Lyrikers und des Sozialkritikers, der Schwert und Flamme im Freiheitskriege sein will und "Zuckererbsen für jedermann" fordert. Ein Abbild dieser Zerrissenheit ist nach Auskunft von Dr. Singh vom Heine-Institut das nach jahrzehntelangem Kampf um die Aufstellung eines Heine-Denkmals in der Geburtsstadt des Dichters entstandene und von vielen Düsseldorfern abgelehnte Monument.
In der Beziehung Goethes zu Düsseldorf nimmt das Jahr 1792 einen besonderen Platz ein. An der Seite des Herzogs Carl August hatte Goethe den Sieg der Revolutionstruppen in der als "Kanonade von Valmy" bekannten Schlacht und den chaotischen Rückzug der deutschen Truppen erlebt. Das Haus des Schriftstellers und Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi in Pempelfort - heute ein Stadtteil von Düsseldorf - bot ihm und anderen Flüchtlingen Zuflucht, die über die wachsende Anziehungskraft der Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit verwirrt waren und nach einer neuen Orientierung suchten.
Für den Goethefreund bietet die Hauptstadt des bevölkerungsreichsten Bundeslandes mit dem Goethe-Museum eine Schatzkammer ersten Ranges. Die aus der Stiftung von Anton und Katharina Kippenberg hervorgegangene Sammlung enthält ausschließlich Originaldokumente zur Biografie Goethes und zur Kulturgeschichte jener Zeit. Der Leiter des Instituts, Prof. Dr. Dr. hc Volkmar Hansen, ließ es sich nicht nehmen, die Mitglieder der Rudolstädter Reisegruppe durch die beeindruckende, biografisch angeordnete Ausstellung zu führen. In fesselndem Vortrag warf er Schlaglichter auf zahlreiche Zusammenhänge zwischen dem Leben des Dichters und der kulturellen Entwicklung Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts. Buchstäblich im Vorübergehen vermittelte er Erkenntnisse etwa über die Bedeutung von Goethes Farbenlehre aus der Sicht der Naturwissenschaft in Vergangenheit und Gegenwart.
Die nordrhein-westfälische Metropole zählt zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität Deutschlands. Sie ist nicht nur wirtschaftliches Zentrum, sondern mit Recht stolz auf ihr kulturelles Angebot, von dem zahlreiche Theater, Museen und Galerien zeugen.
 
Die Rudolstädter waren zu einem Ereignis eingeladen, das in seiner Bedeutung weit über Düsseldorf hinausreicht: der Eröffnung der Ausstellung "ZERO - Internationale Künstler-Avantgarde der 50er/ 60er Jahre" im Beisein zahlreicher Künstler (u. a. Heinz Mack, Otto Piene, Günther Uecker), die seinerzeit angetreten waren, um mit den überkommenen Kunstformen zu brechen und mit neuen Mitteln, die der modernen und komplexen Wirklichkeit gerecht wurden, eine neue Lebensnähe zu erreichen. Als Gestaltungsmittel verwendeten sie nicht mehr ausschließlich Farbe, sondern Feuer, Wasser, Licht und Rauch sowie technische Werkstoffe. Die gezeigten Installationen, zum Beispiel Nagelobjekte und Lichtreliefs oder Spiegelräume aus Japan, waren durchaus von ästhetischem Reiz, warfen aber bei einigen Besuchern auch die Frage auf, wie weit man den Kunstbegriff fassen kann.
Auch am Rhein - wenn auch in einiger Entfernung zu Düsseldorf - lag das zweite Etappenziel der Reise, das Winzerdorf Oestrich-Winkel, unweit von Bingen. Während seiner Kuren 1814 und 1815 in Wiesbaden war Goethe der Einladung der Familie Brentano dorthin gefolgt. Er genoss die herzliche Gastfreundschaft der Brentanos und den Umgang mit anderen interessanten Gästen, erfreute sich an der herrlichen Landschaft und sprach reichlich dem vortrefflichen Wein zu, der heute als Goethe-Wein angeboten wird. Seine Eindrücke verarbeitete er literarisch im "Schenkenbuch" des "West-östlichen Divans", jener großen Altersdichtung, in der die orientalische Welt des Hafis mit dem Erleben Goethes verbunden ist.
Große Bedeutung für das Zustandekommen dieser Dichtung hatte die innige Beziehung zu Marianne von Willemer.
Über manch andere Erlebnisse auf dieser Reise wäre zu berichten, etwa den Besuch der Schlösser Arolsen

und Benrath,
die Fahrt nach Kaiserswerth am Rhein
   
oder die Weinprobe bei einem jungen, engagierten Winzer.
Einen letzten Blick auf Vater Rhein gab es dann vom Goetheblick auf dem Königsberg (Schloss der Fürsten von Metternich).
Hier konnten jedoch nur die Höhepunkte einer Exkursion dargestellt werden, die - wie viele zuvor - ihren Teilnehmern, auch den Goethefreunden aus Pößneck, Freude und Gewinn brachte.

Wolfgang Werner